Vor fünf Jahre wurde Wolf “Kurti” geschossen. Der Abschuss des Rüden aus dem Munsteraner Rudel war der erste in Niedersachsen. Eine traurige Premiere für die einen, längst überfällig für die anderen. Seitdem sind noch weitere Tiere gezielt getötet worden. Anfang April eine Wölfin aus dem Rodewalder Rudel, erst vergangene Woche dann ein Tier aus dem Burgdorfer Rudel. In beiden Fällen war zunächst nicht klar, ob es sich bei den getöteten Tieren auch wirklich um die per rechtlich streng begrenzter Ausnahmegenehmigungen zur Tötung freigegeben Wölfe handelte. Diese Unsicherheit zeigt eines deutlich: Die letale Entnahme – wie der Abschuss auch genannt wird – eines bestimmten Tieres aus einem Rudel scheint für die Verantwortlichen in der Praxis noch immer alles andere als einfach. Gerade die Grünen kritisieren solche “Fehlabschüssen” massiv. Sie reichten jüngst eine Verfassungsklage ein und wollen so die Landesregierung zu Auskünften über die Wolfs-Abschüsse bewegen.
“Kurti” war den Menschen zu nah
Ein Rückblick: Der damals gut zwei Jahre alte “Kurti” war immer wieder auffällig geworden, weil er die Nähe zu Menschen gesucht hatte. Unmittelbar vor seinem Abschuss verhielt sich das Tier in Groß Hehlen (Landkreis Celle) aggressiv und fiel sogar einen Hund an. Einen Grund sah das niedersächsische Umweltministerium damals darin, dass das “Kurti” womöglich als Jungtier auf dem von der Bundeswehr genutzten Truppenübungsplatz in Munster angefüttert worden sei und deshalb die Scheu vor Menschen verloren hätte. Lange wurde diskutiert, wie mit “MT6”, so die wissenschaftliche Kennung des Rüden, umgegangen werden sollte. Es wurde sogar ein schwedischer Wolfsexperte ins Land geholt, um das Tier zu vergrämen, also durch den Einsatz von Gummi-Geschossen wieder menschenscheu zu machen. Der Versuch scheiterte. Auch die Idee, das Tier zu fangen und an einem anderen Ort auszusetzen, war vom Ministerium zunächst geprüft, anschließend dann aber verworfen worden. Immerhin braucht ein Wolf Platz – und den nicht zu knapp. Nach Angaben des NABU lebt ein Rudel im Durchschnitt auf 200 bis 250 Quadratkilometern. Schließlich wählte das Ministerium als letzte Option den Abschuss. Am Ende war es ein Polizist, der “Kurti” tötete.
Dem Schuss folgte die Kritik. Tier- und Naturschützer gingen auf die Barrikaden. Weit mehr als 100 Strafanzeigen gingen nach der Tötung des Rüden bei der Staatsanwaltschaft Hannover ein. Das Umweltministerium habe das Tier unnötig getötet und hätte andere Maßnahmen finden müssen, lautete der Vorwurf. Doch nach einer Prüfung gab es laut Anklagebehörde keinen Anfangsverdacht. Rechtliche Konsequenzen hatte der Abschuss von “Kurti” nicht.
Derzeit leben in Niedersachsen mindestens 35 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare in freier Wildbahn. Immer wieder reißen sie Nutztiere. Die Politik diskutierte zuletzt über eine Obergrenze für Wölfe im Land und über die Aufnahme des Tiers Jagdrechts. Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Olaf Lies (beide SPD) sprachen sich für mehr Abschüsse von Wölfen aus, um die Nutztiere besser vor Rissen zu schützen. “Wölfe, die auf Pferde und Rinder gehen, verhalten sich nicht artgerecht”, sagte Weil im vergangenen Herbst. Der NABU hingegen sagt, das Abschießen von Wölfen verhindere keine Nutztierrisse, sondern könne durch eine Zerstörung der Rudelstruktur in dem betroffenen oder Nachbargebiet sogar mehr Risse zur Folge haben. Die Naturschützer kritisieren auch die im November verabschiedete Wolfsverordnung und legten Beschwerde bei der Europäischen Union ein.
Fünf Jahre nach dem Abschuss von “Kurti”, der präpariert zeitweise im Landesmuseum in Hannover zu beschauen war, bleibt die Diskussion um den Wolf in Niedersachsen weiter laut, emotional und vor allem nah an den Menschen. In Wietzendorf bei Celle sogar wortwörtlich: Dort folgte ein wohl noch junger Wolf einer Spaziergängerin und ließ sich nicht verscheuchen. (Quelle: ndr.de) Stand 27.04.2021.