Kundgebung findet am Rathaus statt
GARBSEN (stp). Unter dem Eindruck der Ereignisse in Israel und Gaza hat der Integrationsbeirat zu einer Friedenskundgebung aufgerufen. Am Rathaus versammelten sich dutzende Menschen und bildeten gemeinsam eine Lichterkette. „Wir haben hier heute die israelische Flagge und eine Friedensflagge gehisst, um unsere Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in Deutschland und Israel zu bekunden“, brachte Bürgermeister Claudio Provenzano zum Ausdruck und fügte hinzu: „Gleichzeitig muss weiter am Frieden gearbeitet werden. Deutschland unterstützt die Zwei-Staaten-Lösung. Dialog ist die langfristige Lösung, damit die Region zu dauerhaften Frieden gelangen kann.“
„Der Konflikt im Nahen Osten hat mehreren tausend Menschen das Leben gekostet. Wir verurteilen jede Art von Gewalt“, sagte Ibrahim Özdemir, Vorsitzender des Integrationsbeirates. „Jedes Leben, jeder Mensch verdient es geschützt zu werden, unabhängig von Herkunft, Religion, Sprache, Hautfarbe, Alter und Geschlecht“, fügte er hinzu.
Provenzano verwies im Rahmen der übergreifenden Friedensdemonstration auch auf weitere Konflikte in der Welt, wie den Krieg in der Ukraine und stellte heraus: „Hier bei uns in Garbsen hat Intoleranz keinen Platz. Garbsen steht für Vielseitigkeit, Integration und Frieden.“ Die Friedensflagge am Rathaus verdeutliche, dass Frieden – nicht nur in diesen Tagen – die einzige Botschaft sein könne.
Die Veranstaltung wurde musikalisch vom Friedenschor begleitet, der sich zu den kürzlich vom Integrationsbeirat veranstalteten Interreligiösen Kulturwochen gebildet hatte. Neben einem hebräischen und einen arabischen Lied bot er auch „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen dar.
Die Rede von Bürgermeister Claudio Provenzano in voller Länge:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich erschienen sind und wir heute gemeinsam in unserer Stadt ein starkes Zeichen für den Frieden setzen.
Im vergangenen Jahr begann ein Krieg in Europa. Der Angriffskrieg Russlands ist nach wie vor ein aktiver Krieg. Wir haben viele ukrainische Menschen bei uns aufgenommen und hoffen nach wie vor, dass mittelfristig Frieden für die Region möglich wird und die Menschen zurück in ihre Heimat können. Heute müssen wir leider feststellen, dass die Hoffnung auf einen kurzen Konflikt und schnellen Frieden leider vergeblich war. Vielmehr entstehen auf der Welt weitere ernstzunehmende Konfliktherde.
Seit dem 7. Oktober ist die Welt eine andere. Der Tag des terroristischen Angriffs der Hamas auf Israel hat auch in Deutschland viel verändert. Wir haben hier heute die israelische Flagge und eine Friedensflagge gehisst, um unsere Solidarität mit den Jüdinnen und Juden in Deutschland und Israel zu bekunden.
Ich habe kürzlich eine Synagoge besucht, zusammen mit Mitgliedern der allermeisten anderen politischen Parteien dieser Stadt. Uns wurde ganz unmittelbar vor Augen geführt, was der 7. Oktober für Jüdinnen und Juden hier bei uns in Deutschland bedeutet.
Im jüdischen Kindergarten an der Synagoge spielen nur ganz wenige Kinder – unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Die meisten jüdischen Eltern aber trauen sich gar nicht, ihre Kinder in die Kita zu bringen. In der Straßenbahn, der Fußgängerzone, auf ihren täglichen Wegen verstecken sie alle Symbole, die sie als Jüdin oder Jude erkennbar machen.
Das alles 2023 in Deutschland. Das ist unerträglich. Das ist unwürdig. Ganz klar möchte ich sagen:
Nie wieder ist jetzt. In Deutschland, in Garbsen ist kein Platz für Antisemitismus.
Nun sind wir heute hier bei einer übergreifenden Friedensdemo. Die Initiative des Integrationsbeirats begrüße ich ausdrücklich und möchte mich hier an dieser Stelle bedanken.
Seit dem 7. Oktober ist der Nahostkonflikt in der Region Gaza und im Westjordanland neu entflammt. Diese Situation ist für die Bevölkerung vor Ort grausam. Ja, die Hamas hat Israel angegriffen. Die Hamas ist eine Terrororganisation. Die palästinensische Bevölkerung ist nicht gleichzusetzen mit der Hamas. Das muss uns stets bewusst sein.
Sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite leben Frauen, Kinder, Männer, einfach gesagt Familien und Menschen wie wir. An sie alle denken wir heute. Die aktuelle Feuerpause ist zu begrüßen. Aber das Ziel muss Frieden sein. Der Weg zum Frieden ist lang und steinig, aber es kann keinen anderen Weg geben. Frieden ist alternativlos.
Mit der heutigen Friedenskundgebung unterstreichen wir: Frieden bedeutet einander zu respektieren. Menschen so anzunehmen, wie sie sind. Es spielt keine Rolle, welche Hautfarbe, welche Religion, welche Herkunft mein Gegenüber hat.
Und als Bürgermeister möchte ich noch mal ganz klar sagen: Hier bei uns in Garbsen hat Intoleranz keinen Platz. Garbsen steht für Vielseitigkeit, Integration und Frieden. Der Integrationsbeirat dieser Stadt, der die Menschen der vielen Nationen vertritt, die in Garbsen zu Hause sind, macht das immer wieder deutlich. Wir sind hier vielseitig, wir respektieren einander, wir wollen Frieden leben!
Dass wir heute die Flagge Israels hier am Rathaus der Stadt Garbsen zeigen, macht deutlich: Wir als deutscher Staat haben eine historische Verantwortung gegenüber Israel. Diese ist in unserem Grundgesetz verbrieft. Da gibt es kein Wenn und kein Aber. Das Ziel der Hamas ist die Auslöschung des Staates Israel. Der Terrorangriff ist in eine Zeit gefallen, in der Israel sich um bessere Beziehungen zu arabischen Staaten bemüht hat und damit auch erfolgreich war. Es braucht dieses eindeutige Zeichen, dass wir an der Seite der Jüdinnen und Juden stehen.
Gleichzeitig muss, und das habe ich heute auch schon getan, weiter am Frieden gearbeitet werden. Deutschland unterstützt die Zwei-Staaten-Lösung. Dialog ist die langfristige Lösung, damit die Region zu dauerhaften Frieden gelangen kann.
Die Friedensflagge, die wir direkt daneben gehisst haben, hängt auch deshalb hier am Rathaus,
weil der Frieden – nicht nur in diesen Tagen – die einzige Botschaft sein kann.
Meine Damen und Herren, aus den Interreligiösen Kulturwochen, die der Integrationsbeirat
in diesem Jahr veranstaltet hat, ist der Chor hervorgegangen, der heute hier singt. Dass ein hebräisches, ein arabisches und ein Lied mit deutschem Text vorgetragen werden, zeigt, wie gut es dem Integrationsbeirat gelingt, Brücken zu bauen.
Meine Damen und Herren, suchen wir das Gespräch, seien wir aufmerksam, respektieren wir einander!
Danke, dass Sie heute Abend hier sind. Garbsen wünscht sich Frieden. Ich freue mich, dass die allermeisten Menschen, mit denen ich in Garbsen spreche, das genau so sehen und übergebe jetzt das Wort an Ibrahim Özdemir vom Integrationsbeirat dieser Stadt.
Die Rede von Ibrahim Özdemir, Vorsitzender des Integrationsbeirates, in voller Länge:
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe garbsener Bürgerinnen und Bürger, liebe Gäste,
ich begrüße Sie recht herzlich zu dieser Kundgebung hier am Rathaus in Garbsen, ich möchte mich zunächst bei dem Chor für die musikalische Darbietung bedanken. Dieser Chor bündelt eigentlich die gesamte Message, die gesamte Botschaft, die wir von hier vermitteln möchten. Der Chor besteht aus Menschen mit unterschiedlichen Herkünften, unterschiedlichen Religionen und Sprachen und steht fest zusammen. Sie akzeptieren und respektieren sich. Sie leben und agieren gemeinsam und tun ihr Bestes für ein friedliches Miteinander.
Bedanken möchte ich mich auch bei der Arbeitsgemeinschaft des Integrationsbeirates der Stadt Garbsen, die diese Kundgebung so kurzfristig auf die Beine gestellt hat. Ganz besonders bedanke ich mich bei Frau Roggenkamp (Ratsmitglied der Stadt Garbsen), Frau Premke (von Omas gegen rechts, bei Kathrin Osterwald (von Neuland in Garbsen Berenbostel) und bei Herrn Hartmut Büttner (Ratsherr der Stadt Garbsen). Ein großer Dank gilt auch Bürgermeister Claudio Provenzano für die umfangreiche Unterstützung bei der Organisation und Durchführung der heutigen Kundgebung. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, die Nachrichten seit dem 7. Oktober haben und alle erschüttert und zutiefst getroffen. Seit dem 7. Oktober wurden Menschen verschleppt, bombardiert, verletzt, und ermordet. Viele Menschen haben ihre Familien verloren. Menschen haben Angst um ihr Leben und um das Leben ihrer Angehörigen. Der Konflikt im Nahen Osten hat mehreren tausend Menschen das Leben gekostet. Wir verurteilen jede Art von Gewalt.
Wir distanzieren uns von Jedem, der den Artikel 1 im GG nicht achtet, dort heißt es „Die Würde des Menschen ist unantastbar…“ Wir distanzieren und von jedem, der den Artikel 2 Abs. 2 im GG nicht achtet, dort heißt es „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich…“
Jedes Leben, jeder Mensch verdient es geschützt zu werden, unabhängig von Herkunft, Religion, Sprache, Hautfarbe, Alter und Geschlecht. Wir hier in Garbsen stehen und halten zusammen. Dies haben wir auch bei den „Interreligiösen Kulturwochen“ im September gezeigt.
In den rund drei Wochen der Interreligiösen Kulturwochen haben sich verschiedene Kulturen und Religionen vorgestellt und präsentiert und gegenseitig besucht. Garbsen ist näher zusammengerückt. Dort haben wir gezeigt, dass man in Frieden miteinander leben kann, dass man voneinander profitieren kann und wir haben gezeigt, wie man respektvoll und mit Akzeptanz zusammenleben kann.
In Garbsen leben Menschen aus nahezu 100 Nationen verschiedener Kulturen und mit unterschiedlichen Glaubens- und Religionszugehörigkeiten. Der Anteil der Menschen mit einem Migrationshintergrund beträgt ca. 36 %. Im Stadtteil Auf der Horst verfügen sogar mehr als 2/3 der Bevölkerung über Migrationserfahrungen. Das interreligiöse und respektvolle Zusammenleben und die Dialogfähigkeit der Menschen verschiedener Religions- und Glaubenszugehörigkeiten ist ein zentrales Thema der Zukunftsfähigkeit unserer Stadt.
Überall, wo Menschen zusammen leben und gemeinsam bestimmte Ziele erreichen wollen, sind gemeinsame Regeln notwendig. Die einzelnen Veranstaltungen der Interreligiösen Kulturwochen und besonders die Ausstellung “Weltethos” haben gezeigt, dass es in allen Kulturen und Religionen ethische Standards und Regeln gibt, die allen gemeinsam sind. Auf ihrer Grundlage können Menschen aller Religionen und Kulturen zusammenleben und zusammenarbeiten für eine friedlichere und gerechtere Solidargemeinschaft.
Die temporäre Waffenruhe im Nahen Osten ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung. Dies macht uns Hoffnung. Wir fordern einen dauerhaften Waffenstillstand und drängen mit größter Dringlichkeit auf einen sofortigen Kriegsstopp. Nicht die Waffen sollen sprechen sondern Worte, der Dialog. Nicht Krieg soll herrschen sondern Frieden.
Wir in Garbsen rufen alle beteiligten Parteien und die internationale Gemeinschaft auf, ihre Anstrengungen zu bündeln, um den Konflikt zu beenden und den Menschen im Nahen Osten die dringend benötigte Erleichterung zu bringen.
Der Integrationsbeirat setzt sich dafür ein, dass kein Mensch wegen seiner Abstammung, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen bevorzugt oder benachteiligt wird.
Wir appellieren an alle Verantwortlichen alle notwendigen Schritte zu unternehmen dieses Leid zu beenden. Vielen Dank für Ihre Solidarität und für Ihre Aufmerksamkeit.